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Verknüpfung der Qualitätsmanagement-Methoden QFD und FMEA

Dipl.-Inf. Andreas Hartmann, Consultant bei der adesso AG (E-Mail: hartmann.andreas@gmx.de)
Dipl.-Päd. Blanka Zimmermann , Doktorandin der Universität Dortmund (E-Mail: blanka.zimmermann@gmx.de)

Einleitung

Auf einem Markt mit immer kürzer werdenden Innovationszyklen gewinnt die Transparenz der Planung industriell gefertigter Produkte zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit zunehmend an Bedeutung. Kaufentscheidungen der Kunden werden nicht alleine aus monetärer Sicht getroffen, ausschlaggebend sind vielmehr kontinuierliche Qualität und kurze Lieferzeiten der Produkte. Insbesondere bei der Planung neuer Produkte ist die Qualität ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg des Produktes am Markt.

Hierbei wird den Qualitätsmanagement-Methoden Quality Function Deployment (QFD) und Fehler-Möglichkeits- und Einfluß-Analyse (FMEA) eine besondere Bedeutung zuteil. Das QFD wird während des Produktionsentwicklungsprozesses von der Phase der Produktdefinition bis hin zu der Phase der Prozeßgestaltung eingesetzt, mit dem Ziel die Produkte entsprechend der Kundenwünsche zu entwickeln. Das Ziel der FMEA ist die Reduzierung möglicher Fehler durch bereichsübergreifende Kommunikation und systematisches Vorgehen in allen Phasen des Produktionsentwicklungsprozesses. Die Qualitätsmanagement-Methoden fanden bisher unabhängig ihren Einsatz in der Praxis. Bisher wurden die Ergebnisse der Einzelmethoden nicht untereinander weiterverwendet und ausgetauscht, so daß Produktinformationen in den angewandten Methoden unterschiedlich beurteilt wurden. Folglich werden die auf ein Produkt und den damit verbundenen Produktionsprozeß bezogenen Informationen teilweise redundant erfaßt.

In dieser Arbeit wird die Erstellung eines Konzeptes, mit dessen Hilfe die Qualitätsmanagement-Methoden QFD nach dem American Supplier Institute (ASI) und FMEA verknüpft werden, vorgestellt.

Getrennte Betrachtung von QFD und FMEA

Die Qualitätsmanagement-Methode QFD stammt aus Japan und wurde dort im Jahr 1966 von Prof. Dr. Yoji Akao in der Zeitschrift "Standardization and Quality Control" als eine Methode zur Produktplanung vorgestellt. Differenziert werden zwei QFD-Ansätze: Der ursprüngliche und allgemein gehaltene Ansatz wurde von Akao entwickelt und findet überwiegend in Japan seine Anwendung. In den 80er Jahren wurde dieser allgemeine Ansatz vom American Supplier Institute (ASI) auf den Prozeß der Produktentwicklung hin spezifiziert.

Der QFD-Ansatz des American Supplier Institutes wird auch als 4-Phasen Modell bezeichnet (vgl. Egner & Hoffmann, 1995; Neumann, 1996). Dieses Modell orientiert sich an den vier kaskardenartig aufeinander aufbauenden Phasen:

  1. Produktplanung;
  2. Komponentenplanung;
  3. Prozeßplanung;
  4. Prozeßparameterplanung.

Mit der FMEA werden systematisch Fehlerpotentiale in Entwicklung, Konstruktion und Fertigung erfaßt. Die Fehler-Möglichkeits- und Einfluß-Analyse (FMEA) wurde Mitte der 60´er Jahre im Rahmen des Apollo Projektes der NASA entwickelt und ursprünglich in Projekten der Luft- und Raumfahrttechnik eingesetzt. In den 80 Jahren fand die FMEA Eingang in die Automobilindustrie und ist heutzutage fester Bestandteil von Qualitätsmanagementsystemen.

Es werde prinzipiell folgende drei FMEA-Arten unterschieden (vgl. Hering, Triemel & Blank, 1996; Pfeifer, 1996):

Durch eine getrennte Durchführung einer QFD und FMEA treten verschiedene Nachteile auf:

Verknüpfung von QFD und FMEA

Um diese Nachteile zu vermeiden, wurde ein Konzept entwickelt, das die beiden Qualitätsmanagement-Methoden miteinander verknüpft. Ziel dieses Konzeptes ist die automatisierte Übernahme relevanter Informationen aus dem QFD-Ansatz in die entsprechenden FMEA-Arten.

Ausgehend von dem QFD-Ansatz ist die jeweils entsprechende FMEA-Art den einzelnen QFD-Phasen zuzuordnen. Diese Zuordnung ist u.a. auf Grundlage der in den QFD-Phasen durchgeführten Arbeitsprozessen und dem in den FMEA-Arten betrachteten Objekt, bzw. der Analysetiefe zu treffen:

Ein weiterer Anknüpfungspunkt für die Zuordnung ist die Abhängigkeit zwischen den FMEA-Arten. Die Reihenfolge und Beziehungen der FMEA-Arten werden durch die vorhandenen Schnittstellen festgelegt. Diese sind das betrachtete System/Merkmal, die potentiellen Fehler und die potentiellen Fehlerursachen. Die potentiellen Fehler werden in der folgenden FMEA zu dem betrachteten System/Merkmal und die potentiellen Fehlerursachen zu den potentiellen Fehlern.

Betrachtet man zwei aufeinander folgende QFD-Phasen, so wird deutlich, daß die in der vorderen QFD-Phase ermittelten Merkmale zur Umsetzung der Anforderung zu Anforderungen in der hinteren QFD-Phase werden. Für diese Anforderungen werden wiederum Merkmale zur Erfüllung aufgestellt.

Aufgrund dieser vorhandenen Abhängigkeiten der QFD-Phasen und der Struktur einer FMEA ist diese mit Informationen aus zwei aufeinander folgenden QFD-Phasen zu füllen. Mit der vorgelagerten QFD werden die betrachteten Systeme/Merkmale analysiert, mögliche Fehler, Bedeutung der Fehler und Folgen des Fehlers benannt. Aus der nachgelagerten QFD-Phase sind die möglichen Fehlerursachen zu entnehmen, die für die möglichen Fehler verantwortlich sind.

Ausgehend von diesen Überlegungen wird folgende Zuordnung der FMEA-Arten zu den QFD-Phasen getroffen (s. Abbildung 1):


Abbildung 1: Verknüpfung von QFD und FMEA

Jede einzelne FMEA übernimmt hierbei Informationen aus einer vor- sowie nachgelagerten QFD-Phase. Hierbei kommt es zu einem Reengineering-Prozeß, da die Ergebnisse der FMEA wiederum den Inhalt der QFD-Phasen beeinflussen, falls aufgrund der Resultate der FMEA Änderungen in den QFD-Phasen vorgenommen werden.

System-FMEA

Die System-FMEA ist zwischen den QFD-Phasen Produktplanung und Komponentenplanung einzuordnen, da dort das Produktkonzept und das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten betrachtet werden.

In der QFD-Phase Produktplanung wird das Produktkonzept geplant, indem zur Umsetzung der Kundenanforderungen die Konstruktionsmerkmale aufgestellt werden. Hieraus ergeben sich die Betrachtungspunkte der System-FMEA. In der QFD-Phase Komponentenplanung wird das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten geplant, indem aus den Konstruktionsmerkmalen die Bauteilmerkmale abgeleitet werden. Die Bauteilmerkmale sind mögliche Fehlerquellen, aus denen eine Nichterfüllung der Kundenanforderungen resultieren kann.

Konstruktions-FMEA

Die Konstruktions-FMEA, welche Konstruktionsfehler in der Montage, Fertigung und Auslegung betrachtet, ist den QFD-Phasen Komponentenplanung und Prozeßplanung zuzuordnen. Die QFD-Phase Komponentenplanung liefert hierbei die Konstruktions- und Bauteilmerkmale, die in der Konstruktions-FMEA betrachtet werden. In der QFD-Phase Prozeßplanung werden die Arbeitsverfahren ermittelt, mit denen die Konstruktions- und Bauteilmerkmale realisiert werden sollen. Diese Arbeitsverfahren stellen die möglichen Fehlerquellen dar, die dafür verantwortlich sind, daß die geforderten Konstruktions- und Bauteilmerkmale nicht erreicht werden

Prozeß-FMEA

Die in der Prozeß-FMEA untersuchten Fertigungsschritte eines Bauteils und die damit verbundenen Qualitätsvorgaben werden aus den QFD-Phasen Prozeßplanung und Prozeßparameterplanung abgeleitet.

Die in der QFD-Phase Prozeßplanung durchgeführte Ableitung der Arbeitsverfahren aus den Bauteilmerkmalen liefert die in der Prozeß-FMEA betrachteten Fertigungsschritte eines Bauteils. Die in der QFD-Phase Prozeßparameterplanung aus den Arbeitsverfahren abgeleiteten Erfordernisse der Produktion stellen die in der Prozeß-FMEA betrachteten Qualitätsvorgaben der Fertigungsschritte dar, die bei Nichteinhaltung zu einer mangelhaften Umsetzung der Fertigungsschritte führen.



Übernahme der Daten aus der QFD in die FMEA

Das Wesentliche des Konzepts zu der Verknüpfung der beiden Qualitätsmanagement-Methoden QFD und FMEA ist: die betrachtete FMEA bezieht Informationen aus der vor- und der nachgelagerten QFD.

Der Übergang von der QFD zur FMEA ist exemplarisch anhand der System-FMEA dargestellt (s. Abbildung 2).


Abbildung 2: Übergang von der QFD zur FMEA

Die Verknüpfung der Konstruktions- und Prozeß-FMEA mit der QFD gestaltet sich identisch. Die folgenden Erläuterungen gelten ebenfalls für diese beiden FMEA´s, es ändert sich abhängig von der FMEA lediglich das betrachtete Objekt bzw. die Analysetiefe.

QFD-Phase Produktplanung (vorgelagerte QFD-Phase)

Aus der QFD-Phase Produktplanung werden die Felder der FMEA Systeme/Merkmale, potentielle Fehler, potentielle Folgen des Fehlers und Bedeutung der Folgen des Fehlers (B) gefüllt.

Die Kundenanforderungen der QFD-Phase Produktplanung stellen die betrachteten Systeme/Merkmale der System-FMEA dar und bilden den Ausgangspunkt um die System-FMEA zu erstellen.

Die Kundenanforderungen bilden in der QFD-Phase Produktplanung den Ausgangspunkt zur Ablei-tung der Konstruktionsmerkmale. Dagegen stellen diese Kundenanforderungen, die die betrachteten Systeme/Merkmale in der System-FMEA sind, den Ausgangspunkt zur Identifikation potentieller Fehlermöglichkeiten und Fehlereinflüsse in der System-FMEA dar.

Die potentiellen Fehler zu einem System/Merkmal, eine Kundenanforderung aus der QFD-Phase Produktplanung, werden aufgestellt, indem die Konstruktionsmerkmale zur Realisierung dieser Kundenanforderungen aus der QFD-Phase Produktplanung ermittelt werden. Wird ein Konstruktionsmerkmal nicht so umgesetzt, wie es vorgesehen ist, führt dies zu einer Beeinträchtigung oder Nichterfüllung der Kundenanforderung, die dieses Konstruktionsmerkmal realisieren soll.

Die potentiellen Folgen des Fehlers und Bedeutung der Folgen des Fehlers (B) lassen sich ermitteln, indem zu einem potentiellen Fehler, ein Konstruktionsmerkmal aus der QFD-Phase Produktplanung, die Kundenanforderungen aufgestellt und ihre Gewichtungen ermittelt werden. Dies läßt sich damit begründen, daß bei einer Nichterfüllung eines Konstruktionsmerkmals die Kundenanforderungen, die dieses Konstruktionsmerkmal realisieren soll, nicht mehr erfüllt werden können. Die Gewichtung der Kundenanforderung stellt somit die Auswirkungen des Fehlers für den Kunden dar. Diese gibt an, in welchem Maße das gesamte System durch eine Nichterfüllung dieses Konstruktionsmerkmals beeinträchtigt wird.

QFD-Phase Komponentenplanung (nachgelagerte QFD-Phase)

Unter Verwendung der QFD-Phase Komponentenplanung wird das Feld potentielle Fehlerursachen gefüllt.

In der QFD-Phase Komponentenplanung stellen die Konstruktionsmerkmale der vorgelagerten QFD-Phase Produktplanung die Anforderungen dar. Für diese Konstruktionsmerkmale werden Bauteilmerkmale ermittelt, die diese Konstruktionsmerkmale umsetzen.

Die zur Realisierung eines Konstruktionsmerkmals, das in der System-FMEA einen potentiellen Fehler repräsentiert, aufgestellten Bauteilmerkmale sind in der System-FMEA in das Feld potentielle Fehlerursachen einzutragen. Eine Nichterfüllung der geforderten Bauteilmerkmale führt dazu, daß das Konstruktionsmerkmal nicht umgesetzt werden kann und der potentielle Fehler folglich auftritt.

Beurteilung der Anwendbarkeit des Konzepts der Verknüpfung der Qualitätsmanagement-Methoden QFD und FMEA

Die mit der QFD geplanten Produkt- und Fertigungsstrukturen fließen vollständig und ihre Struktur behaltend in die FMEA ein. Die mit dem Konzept erstellten FMEA´s geben die Produkt- und Fertigungsstruktur somit vollständig wieder und stellen eine aussagekräftige Ausgangsbasis für die FMEA dar. Dadurch wird zum einem der Aufwand zur Erstellung der FMEA deutlich reduziert und zum anderen werden Widersprüche in den Produkt- und Fertigungsstrukturen, die durch eine mehrfache Erfassung desselben Sachverhalts entstehen können, vermieden.

Die erstellten FMEA´s sind in der ersten FMEA-Sitzung einzusetzen. Dem FMEA-Team wird dadurch die oft schwierige und auch zeitintensive Erstellung einer initialen FMEA abgenommen.

Die automatisch generierten FMEA´s sind im Vorfeld von einem Teammitglied aufzubereiten. Dies geschieht in der Form, daß die Kundenanforderungen, Konstruktionsmerkmale, Bauteilmerkmale, Fertigungsverfahren und Prozeßparameter aus den QFD´s hinsichtlich ihrer Verwendung in der FMEA entsprechend zu interpretieren sind. So ist z.B. ein Bauteilmerkmal, das einen potentiellen Fehler in der System-FMEA darstellt, mit einem Adjektiv zu charakterisieren, das den möglichen Fehler des Bauteils beschreibt. Den betrachteten Systemen/Merkmalen der FMEA, wie sie aus der QFD über-nommen wurden, müssen Systemfunktionen zugeordnet werden. Dies ist notwendig, da z.B. aus den Kundenanforderungen der QFD-Phase Produktplanung nicht auf die zu betrachtenden Systemfunktionen der System-FMEA geschlossen werden kann.

Das Konzept zur Verknüpfung stellt einen Automatismus zur Verfügung, mit dem der Arbeitsaufwand zur Durchführung einer FMEA um ein erhebliches Maß reduziert werden kann. Zudem bietet das Konzept den Vorteil, daß die Strukturen des Produktes und der Produktion in den einzelnen FMEA's so wiedergegeben werden, wie sie bereits in den QFD's aufgestellt wurden. Hierdurch werden Inkon-sistenzen der Arbeit vermieden, die in beiden Qualitätsmanagement-Methoden verwendet werden.

Abschließend ist zu betonen, daß die integrierte Anwendung von Qualitätsmanagement-Methoden ein erhebliches Potential zur Optimierung und Steigerung der Qualität der Planungsresultate bietet. Insbesondere die Aspekte der gemeinsamen Datenerhaltung und der automatisierten Übernahme von Informationen sind besonders betrachtenswert

Literatur

Egner, H. & Hoffmann, S. (1995). QFD-Einsatz in der Praxis. Zeitschrift für Qualität und Zuverlässigkeit, 40, 446ff.
Herb, R.; Herb, T. & Kratzer, M. (1998). Potentielle Fehler vollständig erfassen. Zeitschrift für Qualität und Zuverlässigkeit, 43, 183ff.
Hering, E.; Triemel, J. & Blank, H.-P. (1996). Qualitäts-Management für Ingenieure. Düsseldorf: VDI.
Neumann, A. (1996). Quality Function Deployment - Qualitätsplanung für Serienprodukte. Aachen: Shaker.
Pfeifer, T. (1996). Qualitätsmanagement: Strategien, Methoden, Techniken. München, Wien: Hanser.